Zwei scheinbar voneinander unabhängige Eigenschaften, Sein und Werden, bilden eine Einheit, die viele nicht wahr nehmen. Es gibt auf der einen Seite Menschen, die meinen, „ich bin halt so“, „Gott hat mich so gemacht“, „das sind die Gene“ usw.. Sie denken nicht daran, sich weiter zu entwickeln. Ihnen genügt das So-Sein. Andere Menschen wiederum sind immer aktiv. Sie arbeiten, lernen, reisen, und alles unter der Prämisse: man kann nie genug haben. Sie verkörpern ein Werden und vergessen ihr Sein. So ist es auch bei vielen Christen. Die einen meinen, indem sie Christ sind, haben sie schon das Auslangen gefunden. Johannes Chrysostomus betont: Es gibt keine Entschuldigung für das Vernachlässigen der Tugenden und niemand darf sich seiner Jugend wegen der Tugendübung entschuldigen. Andere meinen, durch viel beten und Aktivitäten Gott und den Menschen gerecht zu werden. Wer aber nicht in sich und in die Tiefe geht, bleibt an der Oberfläche, ist wahrlich oberflächlich. Man kann die zwei Haltungen kurz fassen mit den Begriffen statisch und dynamisch oder mit Sein und Werden. Beides gehört notwendig zusammen. Der Mensch ist nicht nur Sein oder nur Werden. Er braucht beide Eigenschaften und ihre Ausgewogenheit zueinander.
Hannes Binder, Priester der Diözese Innsbruck