Sind die Religionen gleichwertig?

Religion kommt von religio (= verehren) und ist ein transitives Verb, d.h. jemand verehrt jemanden oder etwas, vergegenständlicht ist es die Verehrung oder die Religion. Das ist die eine Seite von Religion. Eine Wertehierarchie zwischen diesen einzelnen Verehrungen herzustellen ist nicht zulässig, da die Verehrung subjektiv und singulär ist, wie jeder Mensch einmalig ist. Niemandem wird es einfallen zu sagen: die Liebe zu dieser Person ist richtiger als zu jener, oder das Vertrauen zu dieser Person ist wahrer als zu jener. Eine solche Verehrung, die weder oberflächlich noch partiell ist, erhebt vielmehr Absolutheitsanspruch. Daraus folgt nicht, dass Religion eine Privatangelegenheit ist!

Die Verehrung bezieht sich meist auf etwas Transzendenten, dem eine Fülle historischer Erscheinungen zugrunde liegt. Das ist die andere Seite von Religion. Die Objekte der einzelnen Verehrungen kann man vergleichen, und unter verschiedenen Gesichtspunkten zueinander bewerten. Die vielen Konfessionen im Christentum verehren alle den Dreifaltigen Gott. Sie sind aber zueinander nicht gleich, sie haben je ihre besonderen Stärken, die zueinander auch nicht in eine Wertehierarchie gesetzt werden können. Umso mehr sind dann die verschiedenen Religionen zueinander unterschiedlich, nicht hierarchisch bewertbar und noch weniger gleichwertig.

Da der Mensch Teil der Natur ist und die Natur in sich eine Einheit darstellt, muss auch die gesamte Menschheit in sich eine Einheit Grund gelegt haben. Da der Mensch aber frei ist, ist die Einheit in der Menschheit nicht notwendig gegeben, sondern der Mensch hat die Aufgabe, diese Einheit zu erarbeiten. Daraus folgt, dass Gott als Prinzip von allem zwar nur eines für alles sein kann, aber nicht notwendig von allen Menschen als Gott erkannt werden muss. Der Glaube an einen solchen Gott hat notwendig soziale und politische Auswirkungen und kann keine Privatsache sein. Daraus folgt aber nicht, dass alle Menschen diesen Urgrund als Gott anerkennen und noch weniger, dass es für alle Menschen ein und denselben Gott gibt.

 

Hannes Binder, Priester der Diözese Innsbruck