Zeit der Sehnsucht, Zeit der Forderung, Zeit der Verheißung – Gedanken zum Advent –

Wir sind ausgespannt zwischen Sehnsucht und Erfüllung. Wir sehnen uns nach Ankommen und Angenommensein, nach einem sinnstiftenden und sinnerfüllten, nach einem glückenden Leben. Wir sind bleibend Sehnende. Die gleichsam so ausgestreckte Hand ist der menschliche Advent.

Der christliche Advent sagt uns nüchtern zu: Was wir an verwurzelter Beheimatung unserer Hoffnung brauchen, vermögen wir uns bei allen Bemühungen – ganz auf uns allein gestellt – nicht selbst zu geben. Was in uns an Sehnsucht lebt, was in uns bedürftig ist, damit sollen wir in Berührung kommen, denn dort öffnen wir uns für Gott. Die gottesdienstlichen Lesungen dieser Wochen rufen uns zu: Wenn du mit deiner ausgestreckten Hand nichts ins Leere greifen willst, dann wage den Schritt zu dir selbst und über dich hinaus. Erst wenn der Mensch in sich geht und über sich hinaus auf Gott zugeht, kommt er zu sich selbst. Denn unsere Sehnsucht nach dem wahren und guten Leben, unser Glauben, Hoffen und Lieben ist im Letzten durchsichtig auf Gott hin. Die Zeit des Advents bedeutet daher die Zeit des Erwachens zu sich selbst und Forderung nach dem Üben von Selbsterkenntnis.

Und schließlich ist der christliche Advent die Zeit der Verheißung. Er gibt unserem Advent die Verheißung, dass uns Gott in Jesus von Nazareth menschlich entgegenkommt. Das ist der Advent Gottes. Seine Worte sind in der Erfahrung der Jünger „Worte ewigen Lebens“ (Joh 6,68). Weil Jesus jene, die sich auf seine Botschaft einlassen „Freunde“ nennt (vgl. Joh 15,15), seine sich schenkende Liebe unserer Liebe schon immer zuerst entgegenkommt, können wir sagen: Er ist die Freundschaft Gottes mit uns: „Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben und es in Fülle haben.“ (Joh 10,10)

Wer das Wagnis auf sich nimmt, in sich zu gehen, über sich hinauszugehen und sich dem Segen des entgegenkommenden Gottes in Jesus Christus anzuvertrauen, dem wird die Not seines Daseins nicht weggenommen. Aber die offene Wunde der Sehnsucht verwandelt sich zur Lebenskraft der sich schenkenden Liebe. Und darin steigt leise eine Ahnung auf, dass wir zur ewigen Freundschaft mit Gott berufen sind.

 

P. Gregor Schwabegger OCist