Der römische Staatsmann und Philosoph Marcus Tullius Cicero (106 v. Chr. – 43 v. Chr.) schreibt in einem Brief an seinen Freund Atticus:
„Dum spiro spero. Dum spero animo. Dum amo vivo –
Solange ich atme, hoffe ich. Solange ich hoffe, liebe ich. Solange ich liebe, lebe ich.“
Die Hoffnung ist der Lebensatem jenes Menschen, der sich auf dem Weg weiß, der erkennt und annimmt: Ich bin noch nicht am Ende meines Lebens, ich bin noch im Werden in einer Welt, die sich selbst stetig im Werden und Vergehen, in Wandlung und Veränderung befindet, ich bin noch unterwegs als Pilger auf dieser Erde. Ausgespannt zwischen dem Jetzt der Gegenwart, die Vergangenheit erinnernd, und dem „Noch-nicht“ der Zukunft, richtet er sich aus nach dem, was er ersehnt und erwartet und zugleich, was auf ihn zukommt und ihn erwartet. Die Hoffnung hält in diesem Sinne eine lebenstüchtige Spannkraft aufrecht.
Für gewöhnlich hat unser Hoffen die Gestalt des „Ich hoffe, dass …“. Von der christlichen Blickrichtung aus betrachtet, wird solches Hoffen von einem ungleich größeren Horizont umfasst – von der letztgültigen Hoffnung. Sie richtet sich aus auf das Gottesreich, das in Jesus Christus begonnen hat: in seiner Botschaft und seinen Taten, in seinem Leben, in seinem Kreuz und Auferstehen.
Das Gottesreich ist eine bereits gegenwärtige und zugleich eine zukünftige Wirklichkeit. Es scheint gegenwärtig bereits dort auf, wo sich Menschen an der Botschaft Jesu und an seinem Handeln ausrichten – als verdanktes, erlöstes und versöhntes Leben, dort, wo Gerechtigkeit, Frieden und Humanität, wo Glaube, Hoffnung und Liebe wachsen. Zukünftige Wirklichkeit besagt: Christus wird in seiner Wiederkunft das Gottesreich vollenden – Schöpfung und Mensch werden neu geschaffen, werden in Gott vollendet. Was in Vergangenheit und Gegenwart an Gerechtigkeit, Frieden und Humanität, an Glauben, Hoffnung und Liebe bruchstückhaft aufgeschienen ist und jetzt aufscheint, das bleibt gültig und wird erfüllt, wird ganz gemacht. Das „Ende der Welt“ ist darum für den christlich Glaubenden nicht bloß Untergang, sondern Vollendung und Neuschöpfung. Wenn aber die Letztperspektive „Leben in Fülle“ ist, schon jetzt hier und dort ein Stück weit erfahrbar, dann geht von ihr auch eine schöpferische Lebenstüchtigkeit für die Gegenwart aus.
In Anknüpfung an die Worte Ciceros ist daher zu sagen: Der letztgültig Hoffende bleibt nicht bei sich stehen, sondern bezieht immer das Du und Wir ein. Also nicht mehr nur „Ich hoffe, dass …“, sondern „Ich hoffe für dich und für uns alle“.
Die letztgültige Hoffnung bedeutet darum nicht ein Ausblenden, Aussitzen und Ausweichen von Schwierigkeiten gleich welcher Art, ist darum nicht mit der bestimmenden Haltung des Optimismus („Das wird sich schon so einrichten“) gleichzusetzen, weil sich der letztgültig Hoffende im Prozess eines Werdens eingebunden weiß: Seine Hoffnung gilt dem Werden des Gottesreichs unter den Bedingungen der Gegenwart, dem Neuwerden als Mensch, dem Menschwerden und Reifen überhaupt, dem Neuwerden des Lebens und der Erlösung insgesamt. So können auch die enttäuschten Hoffnungen des „Ich hoffe, dass …“ im Kleinen und Großen, die oftmals Ent-Täuschungen festgeklammerter Vorstellungen oder eines Wunschdenkens sind, überstiegen werden, hinein in den letztgültigen Horizont, der „Leben in Fülle“ ist.
Wir können die Frage nach dem Warum des Leids letztlich nicht beantworten – jede Antwort wirft doch nur weitere Fragen auf. Ich kann hier nur aus meinem Glauben heraus sagen: Im Schauen auf das Leben und Leiden Jesu, im Schauen auf sein Kreuz, im Schauen auf das glaubwürdige Lebenszeugnis von Christinnen und Christen, von den Anfängen der Kirche bis herauf in unsere Tage, finde ich zwar keine endgültige Antwort auf dieses Warum, aber ich beginne immer neu zu verstehen, beginne immer neu zu ahnen, dass es eine endgültige Auferstehung durch alles Leid hindurch gibt.
Wer lebenswirklich auf Jesus Christus hofft, verborgen gegenwärtig im Sakrament und in seinem Wort, das im Gottesdienst verkündet wird, die Erlösung der Welt in seiner Wiederkunft als Heiland und Richter vollendend, wird seine letztgültige Hoffnung auf ihn setzen, wird täglich in die Lebensschule des Evangeliums gehen und von hier aus seine Verantwortung für Mensch und Welt übernehmen.
P. Gregor Schwabegger OCist