Zeichen, Symbole, Zeremonien, Bräuche sind notwendige Bestandteile von Feiern und Festen. Wenn aber das „Beiwerk“ von
Feiern ein Eigenleben entwickelt, tut es dem Anlass der Feier Abbruch. Wenn z.B. bei einem Geburtstag das bekannte „Hoch soll er leben“ zu einer großen
Symphonie ausartet, richtet sich die Aufmerksamkeit nicht mehr auf das Geburtstagskind, sondern auf den Komponisten und die Darbietenden. Wenn bei
einer geselligen Unterhaltung die Musik so laut wird, dass keiner mehr sein eigenes Wort versteht, dann ist die Bedeutung der Zusammenkunft gewaltsam vom
Gespräch auf die Musik gelenkt worden. In gleicher Weise gilt das auch für alle religiösen Feiern, u.a. dem Palmsonntag. Palmzweige dienten der Begrüßung und Huldigung
Jesu beim Einzug in Jerusalem. Wenn aber Palmstangen viele Meter lang sind, können sie nicht mehr die Aufgabe haben, die Aufmerksamkeit auf Jesus
hinzulenken, sie ziehen die Aufmerksamkeit automatisch auf sich. Alle Bräuche müssen immer wieder auf ihren Sinn befragt werden, sonst entarten sie, werden
zu Parasiten der gesellschaftlichen Zusammenkunft. Sie gleichen Misteln, die einen Baum brauchen, um groß zu werden und bringen schließlich den Baum zum
Absterben.
Hannes Binder, Priester der Diözese Innsbruck